Notizen einer langjährigen Filmerfrau

Vom Schneiden mit Schere und Kleber zum Computerschnitt

An unsere ersten Filme erinnere ich mich noch ganz genau. Filme wurden nur gut bei klarem Himmel (deshalb entstanden die Filmstudios in Hollywood, wo das ganze Jahr die Sonne scheint). Wir auf der Ostalb waren da nicht so gut dran, deshalb wurde das gute Wetter ausgenützt, und der Slogan hieß: Sonne scheint, Filmkamera eingepackt, raus! In Innenräumen brauchten wir starke Filmlampen, und die wurden sakrisch heiß, so dass die Darsteller mit dem grellen Licht und der Hitze klar kommen mussten.  Mit Grauen erinnere ich mich an solch ein grelles und heißes Kinderweihnachten, bei dem alles dreimal geflötet und ausgepackt und sich gefreut werden musste, bis der Film im Kasten war – allerdings haben wir das Kinderweihnachten heute als farbenprächtiges Dokument! Eine Drei-Minuten-Filmrolle Super 8 kostete in den 70 er Jahren 15-20 DM, das war eine ganze Menge Geld für uns junge Leute, also überlegten wir genau, wie und was wir filmen wollten, damit so wenig wie möglich von dem teuren Filmmaterial weggeschnitten werden musste. Kein Vergleich zu heute! Und dann hob mein Mann jeden noch so kleinen Schnipsel auf und pinnte ihn an ein Brett, denn man hätte ihn ja doch noch irgendwann einmal brauchen können! Schneiden, das war ein ganz besonderes Kapitel: Stundenlang hantierte mein Ehemann im abgedunkelten Raum mit Schere und Kleber – Filmszene suchen, schnipp, mit einem besonderen Gerät die beiden Filmenden aufrauen, mit Kitt bestreichen, warten – gut, wenn die Klebestellen hielten! – Das Einfädeln eines Filmes in den Projektor war für mich jedes Mal ein kleines Abenteuer. Ich vergesse nicht mein Entsetzen, wenn „klack-klack-klack“ der Filmstreifen hackte, und große Erleichterung meinerseits herrschte, wenn die Spule gleichmäßig schnurrte und die Bilder auf der Leinwand liefen… Und dann fügten sich die Bilder zu einer Geschichte zusammen – herrlich, jedes Mal wieder! Ein Titel musste noch her: Wir bastelten Buchstaben und malten und klebten, fügten aus Buchstabensalat mit Einzelbildschaltung Überschriften zusammen, mal mit Smarties, mal mit Löwenzahnblüten, später dann mit richtigen gekauften Buchstaben – das war Fortschritt und Luxus!
Zum Vertonen gab es allerlei Geräte, aber da musste man schon höhere Mathematik studiert haben oder ein technisches Genie sein, um synchron arbeiten zu können. Ein Filmfreund führte einmal sein Meisterwerk vom Schneider von Ulm bei uns vor, und ich staunte über die Maschinerie, die er dazu anschleppte… Und dann kam der Fortschritt – man konnte Filme kaufen mit einer Tonspur drauf! Was haben wir alles angestellt, um eine einigermaßen naturgetreue Vertonung hinzukriegen! – Filmapparat auf die Waschmaschine, die Dusche angestellt, um den Dettifoss auf Island lautmalerisch hinzukriegen, alle Töne wurden durchprobiert, im Wald Vogelgezwitscher aufgenommen – toll! Dann gab es eine Geräusch-Platte zu kaufen – welch eine Offenbarung und welche Erleichterung!

 

Text: Helga Berger – Zeichnung: Ulrike Weber – 2008